Hans Herdes bespricht „Die geliehene Heimat“ von Alwine Klauser–Bock

Alwina Klauser-Bock hat mit „Die geliehene Heimat“ ein Buch vorgelegt, das ihr eigenes schweres Schicksal – eingebettet in das der Wolgadeutschen – anschaulich und bewegend darstellt. Die Autorin beschreibt, wie ihre Vorfahren – gerufen von der (deutschen) Zarin Katharina II – vor über 200 Jahren aus hessischen Dörfern an die Wolga auswanderten. Nach ungeheuren Anstrengungen entstanden hier im Laufe mehrerer Generationen blühende Gemeinwesen.

Bis im Herbst 1941 Stalin die Wolgadeutschen buchstäblich von heute auf morgen deportieren läßt. Als vierjähriges Kind erlebt Alwina den Abtransport in Viehwaggons nach Sibirien. Hier muss die Familie überleben – unter größten Entbehrungen und Nöten. Und die Autorin lässt uns teilhaben am Leben und täglichen Überlebenskampf – authentisch und ergreifend.

Mit unglaublicher Energie schafft es die junge Deutsche, sich Zugang zu Bildung und Ausbildung in einer russischen Umwelt zu verschaffen – bis zur Promotion und zur Dozentin (Germanistik) an der Uni Omsk.

Das Buch erzählt auch von ihrer Flucht nach Westdeutschland. Anrührend: Im Bus fährt sie eines Tages zu den hessischen Dörfern, aus denen ihre Vorfahren einst auswanderten. Hessische Frauen im Bus unterhalten sich in hessischer Mundart. Sie sprechen so wie Mutter und Großmutter in Sibirien!

Niemand wird „Die geliehene Heimat“ aus der Hand legen, ohne vom Lebensweg dieser tapferen Frau ergriffen zu sein und ohne einen neuen, gleichsam persönlichen Zugang zu dem Schicksalsweg der Wolgadeutschen zu haben.

Alwine Klauser–Bock: Geliehene Heimat
Verlag Fölbach, Koblenz 2012
ISBN 978-3-934795-85-3
19,80 Euro