75 Seiten, 14,90 Euro
Books on Demand GmbH 2011
ISBN: 978-3-8423-6897-2
Aus dem Buch
Der ewige Hochzeiter
Wo welke Blätter herbstzeitlich
auf Stein und Stufen sammeln sich,
sind zwei Personen hier zu sehen,
die wie auf einer Bühne stehen:
Geneigt bei der Entgegennahme
des Blumenstraußes hat die Dame
aus ihren Händen seitlich jetzt
zwei Wasserkannen abgesetzt,
und raffend mit der linken Hand
die Arbeitsschürze vorm Gewand,
hebt sie die rechte abwehrend,
wie vorsichtig beschwichtigend ?
Das Haar gelegt in eine volle
nach vorn gekämmte Lockentolle,
– sodass sich hinten umso mehr
das Hinterhaupt zeigt kahl und leer –
schwenkt zur Visite angezogen
aus etwas Abstand vorgebogen
ein Herr in Frack und handbeschuht
galant seinen Zylinderhut.
Wie eine Schranke sieht er aus,
der fest gebundene steile Strauß,
den mit Verbeugung und Respekt
er fragend ihr entgegenstreckt
und den sie so graziös und zart
in freundlich aufmerksamer Art
sich anschickt, ohne zu beschämen,
als Huldigung dem abzunehmen,
der mit den Blümchen aufmerksam
sich ihr empfiehlt als Bräutigam.
Doch um zu sehen, was sich eben
mit diesem Paar scheint zu begeben,
aus ihrem Fenster vorgebeugt
Madam Adele oben äugt
mit scharfen Blicken angespannt
schräg über ihren Brillenrand,
wie gleichfalls Kleidermachermeister
Herr Neiderl – denn genauso heißt er –
Späht weiter unten aus dem Haus
als Lauscher regungslos heraus.
Der Fall ist eine Augenweide
Auch für die Wäscherinnen beide,
wo schattig in der Morgenstunde
erhöht schaut aus dem Hintergrunde
der heilige Sankt Florian
des Kandidaten Werbung an.
Ergraut erhebt sich aus der Stadt
der Turm mit Uhr und Zifferblattt,
auf dem die Zeiger in den leisen
Taktschritten umeinander kreisen,
und in den Lüften klar und kühl
weht schon ein Hauch von Herbstgefühl.
Umschlagtext
Spitzweg malte die Werbung des Verliebten in verschiedenen Situationen: Als ewiger Hochzeiter, als Sänger in einer nächtlichen Musikantengruppe oder durch amtliche wie auch geheime Briefzustellung.
Gegenüber des Paares ist jedoch immer ein Zwischenraum, eine Distanz zu überwinden wie vor der altertümlichen Fassade des Patrizierhauses, wo im warm erleuchteten Gemach die vornehme Dame sich nur als Schatten hinter der Gardine zeigt.
Schwarzmattend breitet sich die Dunkelheit
zwischen den Häusern und Dächern,
und fahl scheint der Mond zu nächtlicher Zeit
vor traumstillen Schlafgemächern.
Wie finster das Tor! – Doch seitlich, da brennt
im Hintergrund eine Laterne,
und zauberisch funkeln am Firmament
die lautlos wandernden Sterne.
Wo Stufen und Treppen, die Bank aus Stein
leer und verlassen stehen,
ist oben im Erker vorm Lampenschein
ein Schatten im Fenster zu sehen –
Doch horch – im Hofe jetzt ein Klang?
Festlich als Nachtserenade
ertönt hier draußen ein Kunstgesang
vor dämmernder Mauerfassade.
Über die Dichterin
Nach dem Abitur absolvierte Inge Rosemann eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester, anschließend studierte sie Germanistik und Geschichte, nach Tätigkeit als Oberschullehrerin und Kinderkrankenschwester ist sie seit 1991 Rentnerin.