In den Kurzgeschichten Der Tod des Messer Lorenzo Bardi, Pour Avoir Bien Servi, Die Hatz auf den Mond und der Tag ohne Abend von Leo Perutz lassen sich erzählerische Merkmale und stilistische Besonderheiten finden, welche wohl charakterisierend für die persönliche Note des Autors zu sein scheinen. Ebenfalls treffen die Erzählungen aufgrund von u. a. besonderen emanzipatorischen Faktoren sowie omnipräsenten großen philosophische Fragen den Zeitgeist und erscheinen dadurch recht modern.
Eine Sache, die Perutz als Autoren recht stark von anderen mir bisher bekannten unterscheidet, ist die Verwendung stimmungstragender Substantive. Natürlich kommt auch ein Leo Perutz nicht ganz ohne Adjektive aus, aber der Atmosphäre-erzeugende Fokus liegt deutlich auf den Substantiven.
Ich möchte in der Schilderung meiner Auffassung Perutz‘ Werke so weit gehen, ihn einen analytischen Denker zu nennen. So erfolgen seine Beschreibungen der Figuren, Gegenstände etc. ziemlich detailliert und konzise. Seine Beschreibung der Vase in Pour Avoir Bien Servi bspw. erweise sich ebenfalls – wage ich jedenfalls zu behaupten – in einem Bericht als brauchbar. An dieser Stelle bietet sich ein biografischer Bezug zu Perutz in seiner Rolle als Naturwissenschaftler und gelehrter Versicherungsmathematiker an. In drei der vier zu untersuchenden Erzählungen handelt es sich gerade bei den ersten Sätzen um solche analytischen Beschreibungen, welche sich nicht selten mit Parenthesen zieren.
Auch wenn äußerlich eine Beschreibung der Figuren en detail vorhanden ist, so muss dafür vielleicht beim Innenleben der Figuren der ein oder andere Abstrich gemacht werden. Natürlich sind der Charakterentwicklung in Kurzgeschichten Grenzen gesetzt, trotzdem legt Leo Perutz nicht sehr viel Wert auf die Person hinter der Figur, sondern viel mehr Wert auf die Figur in ihrer Rolle als Figur; oder den Typ, wenn man so will. Das „Genie“ in Der Tag ohne Abend tritt eben vor allem in seiner Rolle als „Genie“ auf. Trotzdem – und das ist der nächste Punkt, auf den ich zu sprechen kommen mag – ist diese Figur eben äußeren Umständen unterworfen. Auch wenn er intellektuell dem Großteil seiner Gesellschaft erhaben sein mag, so kann er sich eben nicht von der Gesellschaft mit ihren Traditionen abheben. Er ist dem Duell unterworfen, welches letzten Endes sein Schicksal besiegelt. Diese Arbitrarität stellt Perutz heraus und indem er den ihm zu Lebzeiten gegebenen konventionellen Ablauf so kritisch zu hinterfragen wagt, erscheint sein Werk gleich viel moderner. Die wie ich finde sehr spannende philosophische Frage – ob jung verstorbene Genies „abgedient“ haben – , welche zum Schluss der Erzählung angerissen wird, macht sein Werk nicht nur spannend sondern auch zeitlos.
Daniel Otto