Victora, Ina: Des Scheiterns Gewinn

Gescheitert bin ich auf ganzer Linie,
Schiffbruch erlitten mit eiserner Miene.
Welch ein Erfolg, welch ein Schicksalswinken,
das marode Schiffswrack im dunklen Nass versinkend.

Meine Füße in silbrig-glänzend Pfützen stehend,
fröstelnd von kalter Brise umwehend,
richtet sich mein Blick auf das fragile Stück,
welch ich einst mein Leben nannte,
und bis hierhin nichts von seinem allumfassenden Scheitern
ahnte.

Alles hinfort geblasen, missglückt,
verdorben, zu Tode zerdrückt.

Weit entfernt von des Scheiterns Sinn, verfolgte ich das
Glück auf der Suche nach trostlosem Gewinn.
Jagte ewig hinterher dem Gefühl der falschen Erfolge,
umgab es mich zunehmend wie eine auftürmende Wolke.
Frohlockender Nebel umwölkte meine Stirn,
so schusterte ich zusammen – viele Male bunte Fragmente
meines Daseins mit Nadel und Zwirn.

Weiße Segel blähten sich im Winde,
gähnender Erfolg, der das Fenster zur Freiheit unterbinde.
Kein Hauch Lüftchen auf blendend Segel mehr traf,
unmittelbar: Stille – Stagnation, bis der nächste tosende
Sturm in meine nicht mehr ganz so heile Welt einbrach.

Mit brachialer Gewalt streckte er mich nieder,
brauste seine vehemente Faust über mich hinüber.
Japsend,
Wellenkämme gleich weißer Elefanten auf meiner Brust
lag ich in Ohnmacht begriffen, voll des bitteren Verdruss.
Nichts will gelingen, nichts künftig glorreich ́ Stunden
besingen.

An des Abgrunds Rande saß ich,
bis der tiefe Fall vom dunklen Thron mich schließlich
übermannte,
fluchend im strömend Regen,
die achtgliedrige Katze mich zum Zerreißen spannte,
erkannte ich all mein Kämpfen nur bestimmt dazu,
sich zu verlaufen im Sande.

Der grüne Ast, der mich einst so sicher trug,
ein geborgtes Zuhause sich erneut erwies als Lug,
brach in der Mitte entzwei vor dem Ziele,
bezwang die Natur der Dinge mich innezuhalten
und loszulassen, bevor ich innerlich zerfiele?

Denn je höher die Flut um meinen Halse stieg,
ich vor Bequemlichkeit und Farce nur so trief,
desto mehr begriff ich den einfachen Punkt: Auf dieser
grenzenlos Irrfahrt reibe ich mich nur weiter wund.

Taumelnd durchschritt ich meines Lebens Kartenhaus,
alles Unechte, alles Falsche, was nicht zu mir gehörte,
musste hinaus. Es presste mir die Lungen aus,
mein stolzer Achtern Mast; der rebellische Widerstand
endlich gab er seufzend auf.

Leeren muss ich meines Lebens Blatt Papier,
Tabula Rasa – im Jetzt und Hier.
Jungfräulich und unbescholten,
alte Sünden, alte Fehler schmerzlich vergolten,
macht sich Wahrheit in mir breit.
Ein kleines Lächeln im Gesicht: Es ist bald soweit.

Dem spürbaren Zorn des versunkenen Reichs
entgegen, Akzeptanz auf allen universellen Ebenen,
erkenne ich endlich des Scheiterns Gewinn,
auf stimmigen Wegen ich nun zu wandeln beginn.

Des Lebens Botschaft habe ich nun verstanden –
Was zu dir gehört, wird bleiben.
Wird in dir sacht aufsteigen.

Was nicht zu dir gehört, lass zügig gehen,
denn sonst wird das Leben es dir
auf eindrückliche Weise nehmen.

Ein verständnisvoller Blick zurück.
Gescheitert und rechtzeitig auf Grund gelaufen bin ich,
welche Wohltat – welch ein Glück.