Mit diesen typischen Straβen, die man in tausend Filmen gesehen hat und den Studenten überall, kommt es mir wie eine Mischung aus Kreuzberg und Quartier Latin vor.
Wir gehen am Washington Square vorbei, essen bei einem Chinesen „The best fried rice of New York“ (naja….) und beenden den Tag im „Fat Cat Club“, einer für mich sehr merkwürdigen Mischung aus Jazzkeller im Garagenlook mit viel Platz für Tischtennis-, Scrabble- und Billardspieler, die auch zuhören dürfen.
Dienstag, 4. Juli 2017 – Independance Day und dementsprechendes Wetter! Nachdem wir auf Herz und Nieren durchleuchtet geworden sind, dürfen wir das Schiff besteigen, das uns zu Miss Liberty bringen wird. Wieder völlig neue Eindrücke vom Hafen und der Skyline von New York sowie der Dame selber.
Nach unseren Fahrten auf der Spree und der Elbe im Mai ist dies hier nun wirklich etwas ganz Anderes.
Je näher wir der Freiheitsstatue kommen, desto mehr werden wir uns ihrer Einmaligkeit bewusst. Und das Museum, welches in ihrem Sockel versteckt ist und uns ihre ganze Geschichte erzählt, wird uns zwei volle Stunden faszinieren. Es ist aber auch eine tolle Story, die – na klar – in Frankreich beginnt und zwar mit dem Elsässer Bildhauer Frédéric-Auguste Bartholdi. Der ist begeistert von dem weltberühmten Koloss von Rhodos und möchte für den Eingang des Suezkanals ein weibliches Pendant dazu schaffen. Die Dame soll „Ägypten bringt das Licht nach Asien“ verkörpern – aber das Projekt wird fallen gelassen. Bartholdi gibt aber nicht auf und benennt nun das Modell seines Plans um in „Die Freiheit trägt das Licht der Aufklärung in die Welt“ (angelehnt an das berühmte Bild von Delacroix „ Die Freiheit lenkt die Welt“). Miss Liberty soll 1876 zum Hundertjährigen Geburtstag der Unabhängigkeitserklärung von Amerika die Freundschaft zwischen Frankreich und den USA bekräftigen. Tagelang sucht der Meister nach einem geeigneten Standpunkt und findet ihn auf der winzigen Insel Bedloe an der Hafeneinfahrt von New York: von überall aus wird man die hohe Statue sehen können, die ihrerseits „das Meer und Frankreich“ anschaut….
Die Dame ist so hoch wie ein 22stöckiges Gebäude, genau 92,99 m – und das zu einer Zeit, wo die meisten Gebäude New Yorks nur 4stöckig sind! Gebaut wird sie natürlich in Paris, auf einem Terrain von 3000 m – Gustave Eiffel, der noch nicht seinen Turm gebaut hat, ist maβgeblich mit seinem Chefkonstrukteur Maurice Koechlin daran beteiligt. Es ist wirklich spannend zu lesen, wie die Statue in Paris gebaut wurde, dann in Teile zerlegt und in 241 Kisten verpackt nach New York verschifft wurde. Dort kam sie mit einer kleinen Verspätung von zehn Jahren 1886 an und als man sie hundert Jahre später restauriert, fand man heraus….. dass die arme Lady 100 Jahre mit einem falsch herum eingeschraubten Arm verbracht hatte! Nun geht es ihr aber endlich gut.
Selten hat mich ein Bauwerk so fasziniert wie dieses: das Gesicht von Bartholdis Mutter, das „zarte Füβchen“ und die revolutionäre Ausführung von Gustaf Eiffel von der Zeichnung über das Modell zur fertigen Statue, an deren „Rückrat“ man hinaufklettern kann.
Davon nehmen wir allerdings Abstand und fahren weiter mit einem anderen Schiff hinüber zu Ellis Eiland. Dort landeten vor uns in den Jahren 1892 bis 1924 zwölf MILLIONEN Migranten aus der „alten Welt“! Schon zu der Zeit waren die Gründe genau dieselben wie heute: Armut oder Verfolgung wegen religiöser oder politischer Überzeugung. Und auch damals war die Überfahrt in spartanisch ausgestatteten Kreuzfahrtschiffen unter unmöglichen hygienischen Bedingungen wahrlich keine Kreuzfahrt. Aber es gab einen gewaltigen Unterschied zu dem, was heute jeden Tag im Mittelmeer passiert: Es gab keine Schlepper, sondern die Einwanderer, die aus irgendwelchen Gründen (meistens psychische oder physische Krankheiten) abgelehnt wurden, mussten gratis wieder von den Schiffen zurück nach Europa gebracht werden. Viele zogen es allerdings vor, sich auf hoher See ins Meer zu stürzen… Ellis Eiland ist so etwas wie ein Nationalheiligtum geworden, denn fast 40% aller Amerikaner haben einen Vorfahren, der hier durch musste.
Dieses gewaltige Gebäude auf Ellis Eiland sahen die Einwanderer als erstes nach der Freiheitsstatue. Damals gab es die Bäume noch nicht und so muss es ihnen wie ein Palast aus Tausend und Einer Nacht erschienen sein, wenn sie nach der fast unmenschlichen Reise endlich am Ziel ihrer Träume ankamen. Wir betreten einen Saal von riesigen Ausmaβen, in dem die Ankommenden erfasst wurden (bis zu 5000 pro Tag!), und sehen dann in einem Kinosaal einen von Gene Hackman gesprochenen Dokumentarfilm über jene Zeit. Einer der Migranten, der bleiben durfte, sagt bitter: „Ich dachte, die Straβen seien hier mit Gold gepflastert. Aber sehr bald sah ich, dass sie gar nicht gepflastert waren, und dass ich dazu da war, das zu besorgen“. Es hat sich nichts geändert – auch nicht die überglücklichen Gesichter von denen, die hier ein neues Leben ohne Todesgefahr beginnen können und glücklich sind, selbst in ihrer Armut. Ein zu Herzen gehender Film.
Wir fahren zurück und nach Brooklyn, um dort auf der wunderschönen Promenade die Aussicht auf Manhattan zu genieβen. Gleichzeitig warten wir auf das berühmte Feuerwerk, dass „around 9.30 p.m. something“ (!) stattfinden soll. Das wird allerdings der zweite Reinfall unseres Aufenthaltes, denn aus Angst vor einem erneuten Attentat – sechzehn Jahre nach den Twin Towers sitzt der Schock immer noch tief! – wird der Ort des Geschehens möglichst geheim gehalten, damit die 8 Millionen New Yorker plus Touristen sich nicht alle an einer Stelle versam-meln. Also müssen wir uns mit einem wunderbaren Blick auf die Skyline am Abend zufrieden geben – es gibt wahrhaftig Schlimmeres.
Wir sind einmal mehr erstaunt, wie friedlich die Amerikaner mit so einer Situation umgehen. Niemand nervt oder schreit herum „Unmöglich sowas! Ein Skandal…“ würde man in Paris hören. Aber hier gehen alle einfach friedlich nach Hause. Wir haben allerdings Pech, denn unsere U-Bahnstation ist ausgerechnet an diesem Abend wegen Bauarbeiten geschlossen! Auch da bleibt die Schaffnerin sehr gelassen und erklärt mir geduldig zwei Mal, wie wir zur nächstmöglichen Station kommen. Aufatmend sitzen wir zehn Minuten später im Zug — der an unserer Station glatt vorbei fährt (es ist ein „Express“, was ich leider nicht verstanden hatte) und so dürfen wir zu den 11 km dieses Tages noch einen drauf legen, um wieder im Hotel anzukommen. Glücklicherweise hat der vorige New Yorker Bürgermeister Rudolph Guiliani mit seiner Devise „Null Toleranz“ gegenüber dem Rotlichtmilieu so gut aufgeräumt, dass auch zwei Senioretten am späten Abend nichts zu fürchten haben.
Die letzten beiden Tage vergehen mit Besuchen im berühmten Moma und in Soho sowie dem „Nolita“, wo sich Nobelboutiquen mit kleinen bescheidenen Geschäften abwechseln. Wir müssen natürlich auch eine der von Regina empfohlenen „rooftopbars besuchen mit Blick auf die berühmten Wolkenkratzer (ich liebe dieses Wort) von New York.
Das letzte Highlight ist das Überqueren der berühmten Brooklyn Bridge, von wo man herrliche Ausblicke auf die im Morgenlicht golden glänzende Stadt hat. Und so nehmen die „Girls from the Brooklyn Bridge“ Abschied von dieser einmaligen Stadt.