Rosemann, Inge: Sternenstaub und Maulwurfshügel

rosemann_sternenstaub

149 Seiten, 12,90 Euro
Books on Demand GmbH 2012 (3. Auflage)
ISBN: 978-3-8334-4125-7

 

Aus dem Buch

Das Nilpferd Hippopotama
saß satt im Sumpf von Afrika
von Kopf bis Fuß so prachtvoll fett,
dass es sich schrecklich schämen tät

und wegen solchem Seelenschmerz
wie rasend rollte rückenwärts,
schlug mit dem Schwanz und hat geheult
und fühlte sich so ausgebeutelt,

so dick und drall und klotzig schwer,
dass es aß niemals Pudding mehr
und auch nicht sonntags ausnahmsweise
ein Zungenspitzchen Festtagsspeise.

Stattdessen zupfte es nur Krümchen
vom federleichten Pusteblümchen –
Doch weil nicht jede Pfundsfigur
verträgt so eine Pferdekur,

verfiel bald wenig vorteilhaft
des Leibes königliche Kraft
dem streng und ständig konsequent
abnehmenden Diätpatient.

Als es auf seine Beine kroch,
da war das Tier zwar schlank – jedoch
das Fell, es blieb erhalten
und hing in losen Falten

lang ums Gesicht und schlotternd auch
am Doppelzentnerhängebauch,
sodass es nun erblickte sich
am ganzen Leibe runzelig!

Wie hat es da vor Wut gefaucht,
ist in dem Teiche tiefgetaucht,
wo es sich ganz mit Schlamm bedeckte
und im Papyrusrohr versteckte.

Ach! – wie es früher tänzelte
und gutgelaunt scharwenzelte
mit seinem Schwanze so graziös
verführerisch voluminös!

Wohl war es damals feist und fett,
doch frisch und faltenlos adrett!
Wie glänzte schwellend glatt und geil
das schmuck charmante Hinterteil!

Nun aber statt der schönsten Fülle
Hing grau verwelkt nur noch die Hülle
Mit eingeschnurrter Kernsubstanz,
worauf am Ende als Bilanz

entwich dem längst entleerten Bauche
betrübt mit einem wehen Hauche
beim plötzlichen Zusammensturz
ein diätetisch dünner Furz –

Entseelt lag auf der Erde da
der Rest von Hippopotama,
und jedem, der sich so kasteit,
wie dies Finale prophezeit.
Umschlagtext

So ein Ferkel

Es war einst eine zierlich zahme
rundum gepflegte Schweinchendame,
die wusch mit Sorgfalt vorbildlich
frühmorgens schon von innen sich,

wenn sie mit den gespitzten Pfötchen
fraß Badeseife wie ein Brötchen
und wonnig schlürfte hinterher
wie süß berauschenden Likör

ein fläschchen voll Parfüm. – Man roch,
wenn dieses Ferkel pupte, noch
als Wölkchen lange in der Luft
den lieblichsten Lavendelduft.

Über die Dichterin

Nach dem Abitur absolvierte Inge Rosemann eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester, anschließend studierte sie Germanistik und Geschichte, nach Tätigkeit als Oberschullehrerin und Kinderkrankenschwester ist sie seit 1991 Rentnerin.

 


 

Felsige Gebirgslandschaft mit badenden Nymphen*

Hell glänzt der Weiher am felsigen Ort,

wo Büsche und Baum überm feuchten

beschatteten Ufer geheimnisvoll dort

im Nachmittagssonnenschein leuchten.

 

Der Himmel ist hoch und still ist der Wind

und lastend des Sommertags Schwüle,

dass leise im Schatten zwei Badende sind

getaucht in die spiegelnde Kühle,

 

um an der Quelle aus heidnischer Zeit

entschleiert wie einst die Najaden

hier unbelauscht in der Einsamkeit

in den dämmernden Fluten zu baden,

 

während am schwarzdunklen Weiherrand

unter dem Laube verschwiegen

ein Sommerhut und ein helles Gewand

seidig im Ufergras liegen.

 

* nach dem Gemälde von Carl Spitzweg

 

Der Bücherwurm

Ein Winkel wird vom Sonnenschein erhellt

und zeigt uns die geheime Geisterwelt,

wenn hinter stillen, hohen Bücherwänden

stumm sich verbirgt in den gelehrten Bänden

 

Metaphysik, die unter dem Plafond

in steilen Lettern glänzt im Medaillon.

Wie Schleier schweben in verblichenen Spuren

als Deckenschmuck verschlungene Figuren,

 

wo in der Tiefe bauchig aufgebläht

grüngolden sich des Himmels Wölbung dreht

mit den Gestirnen. – Doch im Sonnenlicht

hält sich dazwischen knapp im Gleichgewicht

 

ein Leser, der auf hoher Leiter stehend

und auf den Text der linken Seite sehend

im schwarzen Frack mit einem Taschentuch

geübten Griffes stützt ein offenes Buch

 

vor seiner Nase unbewegt nach oben,

indem das zweite unterm Arm geschoben,

er noch eins zwischen seine Knie klemmt

und in der rechten Hand das vierte stemmt

 

gleich einem Schild – und wie als Rüstung fest

er sie hält eng an seine Rock gepresst,

liest er mit einem davon so gebannten

Blick in den aufgeschlagenen Folianten,l

 

dass zwischen Erd und Himmel frei im Raum

unabgestützt da oben ihn wohl kaum

vor einem Fall in Bodenlosigkeit

sein Standpunkt stützte nur zwei Schritte weit.